17. Juni 2023 – Ich bin das Dorf


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Kennst du folgendes afrikanische Sprichwort?
"Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf."

Falls nicht, kennst du es jetzt auch 😉

Auch von kinderlosen Menschen wird es gern zitiert, um deutlich zu machen, dass auch sie ihren Teil beitragen.

Natürlich ist die Aussage "Ich bin das Dorf" recht plakativ. Das Dorf ist eben genau nicht eine Person. Und das ist gut so.

Aber für die Frau, die nach längerer intensiver Auseinandersetzung mit ihrem Kinderwunsch herausgefunden hat, dass es wirklich okay ist, weiterhin als OK-Frau durchs Leben zu gehen, steht diese kraftvolle Variante für ihre Art, das Mütterliche zu leben, das sie in sich trägt und zum Ausdruck bringen will.

Sie ist bei Freundinnen und Verwandten die liebenswürdige, verständnisvolle, lustige und junggebliebene Tante – eine Bereicherung, wenn sie Zeit mit deren Kindern verbringt.
Zugleich ist sie den befreundeten Eltern Stütze und hat ein offenes Ohr für deren Sorgen.

Für sich selbst kann sie auf diese Art nahe Kontakte mit Kindern pflegen ohne dabei in der krank machenden Überforderung zu landen, die sie bei ihren weiblichen Verwandten beobachtet.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie sich als Mutter zu wenig abgrenzen und ihr eigenen Bedürfnisse vernachlässigen würde.

Es gibt auch ein weinendes Auge, jetzt wo dieser Entscheid so klar ist. Sie hatte sich ihr Leben mit einer eigenen Familie bunt, kuschlig und lebendig ausgemalt. Eine Stimmung wie ein sommerliches Gartenfest – Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Aufgehobensein.

Dass Muttersein sich nicht immer wie ein sommerliches Gartenfest anfühlt, ist ihr völlig klar.
Zumindest ihrem Verstand 😉

Der Verstand erinnert sich vielleicht sogar an ein Gartenfest, das manche Mütter abends früher verlassen haben, weil sie die Kinder ins Bett brachten.

Emotional hatte sie sich aber so stark mit dem schönen Bild und dem zugehörigen Gefühl verbunden, dass ein kinderloses Leben ihr irgendwie leer und trist vorkam.

Was dem Verstand völlig klar ist, nimmt das Herz nicht einfach so hin. Da braucht es schon einiges an innerer Arbeit.

Das Bewusstwerden über diese Zusammenhänge war einer der Schritte auf dem Weg zum Entscheid: Ja, ich will tatsächlich kein Kind.

Obwohl ich es mir anders vorgestellt hatte.
Obwohl es scheinbar dazu gehört.
Obwohl der Abschied von dieser Vorstellung auch einen Anteil Wehmut hat und sich wie ein Verlust anfühlt.

Es ist ein Verlust.
Der Verlust einer konkreten Vorstellung und Zukunftsvision.
Gleichzeitig ist es befreiend zu erkennen: Ich wähle den Weg, der zu mir passt und mir gut tut.

Der Spruch "Da wächst du rein", hilft einem nämlich nicht, wenn man als Mutter tatsächlich überfordert ist.

Was hat dir in deiner Entscheidung geholfen?
Was war für dich schwierig?

Und wie hast du es mit dem Dorf?
Ich bin z.B. eine, die zwar ein offenes Ohr für überlastete Eltern hat und sich auch die Sorgen der Teenager anhört, aber für Kleinkinder und Babys interessiere ich mich ehrlich gesagt wenig 😉


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Danke       2024-02-15
Das hat mich sehr berührt. Anja

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