18. Oktober 2019 – Antiquirte Rollenbilder


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Es mir peinlich zuzugeben, dass ich lange davon ausgegangen bin, meinen Lebensunterhalt nicht mein ganzes Leben selbst bestreiten zu müssen.
Da ich aber immer wieder mitbekomme, dass es anderen OK-Frauen ähnlich geht, tu ich es trotzdem.

Im Alter von etwa 34 Jahren machte ich mir nochmals Gedanken über meine berufliche Zukunft. Der Laufbahnberaterin, die ich deswegen aufsuchte, kam irgendwann der Satz über die Lippen: "Schliesslich müssen Sie noch ca. 30 Jahre arbeiten, da ist es doch wichtig, dass Sie diese Arbeit auch gerne tun."

Der Satz blieb im Raum schweben und ich bekam nicht mehr mit, was sie weiter sagte. Er löste bei mir eine Irritation aus. Keine konkreten Gedanken, sondern eher diffuse Gefühle und Bilder. Erst wenn ich mich jetzt daran erinnere, formen sich klare Worte dafür:
"Was denkt die denn? Meint die etwa, ich finde keinen Mann?" Das Bild einer ehemaligen Arbeitskollegin tauchte in mir auf; so wie sie wollte ich keinesfalls werden. Die Arbeit schien der einziger Lebensinhalt der "alten Jungfer" zu sein. Sie war für mich ein abschreckendes Beispiel gewesen.
Zwar war ich aktuell gerade unfreiwillig Single, aber das konnte ja nicht ewig so bleiben. Früher oder später würde schon wieder einer kommen und diesmal auch bleiben. Und als seine Frau und Mutter unserer Kinder brauchte ich ja höchstens noch einen unwesentlichen Teil zum gemeinsamen Budget beizusteuern.

Rückblickend begriff ich die Haltung dahinter und fand sie nur noch peinlich. Ich schämte mich zutiefst dafür. Wie kann eine Frau Anfang des 21. Jahrhunderts noch so ticken? Und ich meinte, eine aufgeschlossene, freigeistige Frau zu sein.

Eine mögliche Antwort sah ich kürzlich in einem alten Film. Einer, in dem es noch keine Handys gab. Ein Ehepaar zu Beginn einer Krise. Er will gern Kinder, sie zögert, weil sie ihren Beruf nicht aufgeben will. Der macht ihr gerade richtig Freude und sie hat Lust, sich weiterzubilden und zu spezialisieren.
Er nennt sie eine Egoistin. "Du denkst nur an dich, unsere Ehe ist dir egal," wirft er ihr vor.

Die Möglichkeit, dass sie weiterarbeitet und auch er einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen könnte, wird nicht einmal angedacht, scheint inexistent. Nachdem die Krise ihren Höhepunkt erreicht hat (unter anderm mit einem Seitensprung seinerseits und weiteren spannungsfördernden Turbulenzen), hält sie in einer Szene verträumt das Baby einer Freundin im Arm. Offensichtlich hat sie einen Sinneswandel durchgemacht.

Ihr sehnlichster Wunsch ist es jetzt, schwanger zu werden und natürlich gelingt das innerhalb weniger Wochen. Sein Seitensprung ist kein Thema mehr – auf den hatte er ja sozusagen Recht. Als Mann, dessen Frau sich weigert, ihren Beruf aufzugeben, um Mama zu werden.
Doch jetzt wendet er sich ihr wieder ganz zu, ist der sie über alles liebende Mann und der Film hat ein Happyend.

Ich kriege meinen Unterkiefer fast nicht wieder hoch und schaue im Internet, wann der Film gedreht wurde. Ja, doch: 1997. Nicht etwa in den 50-er-Jahren. Und er war bestimmt nicht der einzige, der uns damals derartige Botschaften vermittelt hat. Auch wenn andere Filme es vielleicht subtiler taten.

Nun wundere ich mich dafür nicht mehr über meine antiquierte Haltung. Zu der Zeit war ich ja knapp 30 und das war die Welt, so wie sie damals als normal galt.


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